plusminus

Für eine bessere Datenlage

Der Plusminus-Beitrag „Wärmepumpen als Klimaretter“ vom Juli 2021 hinterfragt z.B. Luft-Wärmepumpen und Installationen in Altbauten als klimarettende Maßnahmen. Ein 0,7 Mio. mal geklickter “Faktencheck” des YouTube-Kanals SHK-Info rückt den Beitrag in die Nähe der „Klatschpresse“, die „negative Einzelerfahrungen hochskaliert“.

Im Dezember 2022 titelt die ARD: “Wärmepumpe auch ohne Sanierung möglich“. Agora betitelt die Studie des Fraunhofer ISE und Öko-Instituts mit “Durchbruch für die Wärmepumpe”. Die Welt titelt zur gleichen Studie: “Irrglauben von der Nur-Wärmepumpen-Republik” (Paywall). Es bleiben Fragen zu Kosten, Effizienz, Ökostromlücke, Qualitätssicherung, Klimaschutzbeitrag und Einsatzgrenzen.

WP-Cockpit verfolgt das Ziel in der Kontroverse um Marktentwicklung und „Klimarettung“ die bestmögliche Datenlage zu schaffen und diese auf der offenen sustainable data platform im Sinne des Gemeinwohls nutzbar zu machen. Erst die breite Generierung und unabhängige Bereitstellung valider Daten ermöglicht Schlüsse über zuverlässige Schritte zu Klimaneutralität und bezahlbarer Energie.


Text zum Plusminus-Beitrag:

Wärmepumpen als Klimaretter?

Der Original-Beitrag vom 28.07.2021 ist in der ARD-Mediathek nicht mehr abrufbar. Die Texte zum Plusminus-Beitrag finden sich zur Erläuterung des Diskurses nachfolgend.

Bericht: Reinhard Weber/BR
Stand: Juli 2021

Der Einsatz von Wärmepumpen im Bestandsbau ist schwierig.

Verbraucher bekommen exorbitante Stromrechnungen.

Trotzdem wird der Einbau einer Wärmepumpe mit bis zu 45 Prozent der Kosten vom Staat gefördert.

2030 soll es sechs Millionen Wärmepumpen geben um die Klimawende zu schaffen. Sie könnten aber bis zu zehn Prozent des gesamten Stromverbrauchs benötigen. Niemand weiß, wo dieser Strom herkommen soll.

Deutschland importiert jede Menge Atomstrom aus Frankreich, um den Bedarf zu decken.

Exorbitante Stromkosten

Ein Altbau in Brandenburg an der Havel: Eigentümerin Birgit Patz wollte was für’s Klima tun und entschied, eine Wärmepumpe einzubauen. Diese läuft mit Strom, ist teurer als ein Öl- oder Gas-Kessel, heizt aber dafür vor Ort CO2-frei.

Birgit Patz war es das wert. Doch nach der ersten Heizperiode kam die große Enttäuschung. Die ursprüngliche Idee, das Haus effizient und nachhaltig zu heizen, sei genau ins Gegenteil gekehrt worden. Die Anlage laufe ineffizient, fresse sehr sehr viel Strom und würde nichts von dem halten, was versprochen war.

Birgit Patz hat monatlich rund 400 Euro Stromkosten nur für ihre Luft-Wasser-Wärmepumpe, prognostiziert waren etwa 100 Euro monatlich. Dazu wurde es im Winter nicht mal richtig warm. Birgit Patz berichtet von 15 bis 18 Grad, die sie sich auch schon von Fachleuten dokumentieren lies. Diese Heizung will sie nicht mehr und hat den Heizungsbauer verklagt. Das Landgericht Potsdam hat nun entschieden, er muss die Wärmepumpe zurückbauen und den Neupreis erstatten. Der Heizungsbauer allerdings geht in Berufung.

Ein Systemfehler? 
Funktionsweise von Wärmepumpen | Bild: BR

Wie funktioniert eine Luft-Wasser-Wärmepumpe? Außenluft wird angesaugt. Die in der Luft enthaltene Wärmeenergie speist einen Kreislauf. Darin wird ein Kältemittel erwärmt und mit Strom zu Gas komprimiert. Dadurch entsteht mehr Wärme, die dann das Wasser des Heizkreislaufs und das Warmwasser im Haus erhitzt. Doch im Winter, wenn die Luft kalt ist, funktioniert der Kreislauf kaum, das Wasser wird dann mit einer Art Tauchsieder mit viel Strom zusätzlich aufgeheizt, um die nötigen Temperaturen zu erreichen.

Radiatorheizkörper | Bild: BR

Die meisten Wärmepumpen erreichen für das Wasser im Heizkreislauf nur rund 40 Grad. Für Fußbodenheizungen im Neubau ist das ausreichend, sonst würde man sich die Füße verbrennen. Doch herkömmliche Radiatorheizkörper im Alt- und Bestandsbau laufen mit Wassertemperaturen um die 60 bis 70 Grad. Um die zu erreichen, braucht es dann mehr Strom. Und die Anlage arbeitet unwirtschaftlicher.

Die Werbeversprechen

Der Bundesverband Wärmepumpe wirbt auf seiner Internetseite für das Modernisieren mit Wärmepumpe und behauptet: „Na klar geht das!“

Der Haken an der Sache
Honorarprofessor Klaus Knoll | Bild: BR

Honorarprofessor Klaus Knoll lehrt Energie- und Heizungstechnik an der staatlichen Akademie Risa in der Nähe von Leipzig. Er sagt: „Der Einsatz von Wärmepumpen in Bestandsgebäuden ist kompliziert und nicht ohne Konsequenzen machbar. Die Heizkörper sind auf höhere Temperaturen ausgelegt, wenn man das Heizungssystem mit geringeren Temperaturen versorgt, müssten die Heizkörper vergrößert werden.“

Oder es müsse sogar parallel ein zweites Heizsystem zur Unterstützung im Winter installiert werden wie zum Beispiel ein Gas-Brennwertkessel, so Knoll.

Der Feldtest
Wärmepumpe im Keller | Bild: BR

Dr. Werner Neumann vom BUND hat mit unabhängigen Experten aus dem Schwarzwald zahlreiche Wärmepumpen in Bestandsbauten auf ihre Leistung getestet, also wie viel Wärme herauskommt für wie viel Einsatz von Strom. Das Ergebnis: normalerweise sollte aus dem Strom die vierfache Menge Wärme erzeugt werden, aber in vielen Fällen sei nur das 2,5 bis dreifache erreicht worden, die Hersteller versprächen da meistens mehr, als wirklich herauskomme. Die Verbraucher könnten es nicht genau kontrollieren und das bedeute, dass letztendlich die Verbraucher mehr Stromkosten haben als erwartet.

Verfehlte Förderpolitik?

Trotz der Kritik wird der Einbau einer Wärmepumpe im Altbau stark gefördert. Es gibt sogar noch einen extra Bonus, wenn man eine Ölheizung dafür austauscht. Der Staat übernimmt dann 45 Prozent der Kosten. Ein Anreiz, der Immobilieneigentümer womöglich verleitet, unwirtschaftliche Wärmepumpen einzubauen.

Heinz Fischer, Heizungsbauer | Bild: BR

Heinz Fischer, Heizungsbauer und Innungsvorstand in München, kritisiert die Förderpraxis. Bei dem Förderantrag für die erneuerbaren Energien trage er die Effizienzklasse der Pumpe ein, die käme vom Hersteller. Unter Laborbedingungen würden die Pumpen getestet auf verschiedene Temperaturen und Außentemperaturen. Doch mit der wirklichen Effizienz der am Ende im Haus eingebauten Pumpe hätte das wenig zu tun, so Fischer. Für den Verbraucher hätte es die Konsequenz, dass die Pumpe nicht auf die Heizungsanlage im Haus abgestimmt sei, und dann die Werte von der Pumpe auch nicht stimmten.

Fehlende Kontrolle

Prof. Klaus Knoll erklärt, an den ausgeführten Anlagen sei für den Privatmann die Kontrolle der Effizienz kaum möglich. Die Wärmemengenzähler würden bei Einfamilienhäusern in der Regel nicht eingebaut.

Wie reagiert die Politik?

Plusminus bittet das Bundeswirtschaftsministerium um Stellungnahme, warum fördert man ineffiziente Anlagen und warum gibt es keine verpflichtende Kontrolle der Effizienz? Die Antwort: „Es herrscht wissenschaftlicher Konsens über die Bedeutung von Wärmepumpen für die Dekarbonisierung des Gebäudebereichs. … Geförderte Wärmepumpen müssen bis spätestens 1. Januar 2023 mit einer Energieverbrauchs- und Effizienzanzeige ausgestattet sein, so dass der effiziente Betrieb der Anlage überprüft werden kann.“

Wo soll der Strom für die Wärmepumpen herkommen?

Der Thinktank Agora Energiewende, mitfinanziert vom Bundeswirtschaftsministerium, propagiert den Einbau von sechs Millionen Wärmepumpen bis 2030, um die Klimaziele des Bundes zu erreichen. Der BUND rechnet vor, bei sechs Millionen Wärmepumpen brauche man je nach Effizienz der Anlagen bis zu 48 Terawattstunden Strom pro Jahr. Das ist ein zehntel des Gesamtstromverbrauchs der Bundesrepublik.

Erzeugter Strom in Deutschland | Bild: BR

Und nur wenn dafür erneuerbare Energien verwendet würden, wären Wärmepumpen CO2 frei. Doch der in Deutschland aus erneuerbaren Energien erzeugte Strom machte 2020 lediglich einen Anteil von 47 Prozent der Gesamtproduktion aus.

Energieexperte Werner Dorß | Bild: BR

Der Energieexperte Werner Dorß erklärt, wenn der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint, importiert Deutschland große Mengen Strom, um den Bedarf zu decken. Er sagt: „Im Moment kaufen wir den meisten Strom von den Franzosen, aber das ist zu 70 Prozent Atomstrom, das heißt, wir kaufen das ein, was wir zuvor bei uns selbst abgeschaltet haben.“ Zudem sei der Strompreis in Deutschland doppelt so hoch wie in Polen oder Frankreich, dort zahle ein Wärmepumpenbetreiber also die Hälfte.

Bericht: Reinhard Weber/BR
Stand: Juli 2021